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                    ANALYSE VON ÖLHALTIGEN BINDEMITTELN IN MALSCHICHTEN 
              Die analytisch geringe Diversifizierung von Bindemitteln nach klassischen
              Methoden hat dazu geführt, daß der Bindemittelanalytik bisher
              geringe Bedeutung zugemessen wurde. Vielmehr wandte man sich stärker
              der Pigmentanalytik zu, die in ihren Aussagen verläßlicher erschien.
  
              Die instrumentelle Analytik von Ölgemäldeschichten, insbesondere
              die Verknüpfung und Weiterentwicklung klassischer Verfahren
              mit modernen apparativen Methoden ermöglicht es jedoch, differenzierte
              Aussagen über die Bindemittelalterung in Abhängigkeit
              von Pigment und Vorbehandlung des Bindemittels machen zu können.
              So ist es möglich, nicht nur chemisch differenzierte Öltypen,
              sondern auch in ihrer Vorbehandlung sich unterscheidende Öle
              auseinander zu halten.
  
              Mittels
              Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Analyse können charakteristische
              Komponenten von Bindemitteln und ihre Verhältnisse, sogenannte
              "fingerprints", ermittelt werden. Dabei sind die selektiven
              Löslichkeiten von Ölbestandteilen und die sich mit dem
              Trocknungs- und Alterungsprozeß ständig ändernden
              Löslichkeiten der Bestandteile in der Malschicht die Grundlage
              für die Klassifizierung des Materialzustandes. In sechs sukzessiven
              Extraktionsschritten wird das extrem komplexe Malschichtengemisch
              in vier Fraktionen von jeweils unpolaren und polaren Verbindungen,
              triglyceridischen Molekülen und Metallseifen aufgetrennt. Diese
              Fraktionen werden anschließend mit der Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Kopplung
              unter strukturellen und quantitativen Aspekten untersucht. Der Rückstand
              wird mittels Pyrolyse-GC/MS und
               Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie
              analysiert.
  
              Folgende Informationen werden erhalten:
  
              Die Öltypenzuordnung erfolgt durch das Verhältnis der gesättigten
              Fettsäuren Palmitinsäure (P) und Stearinsäure (S),
              da diese als gesättigte Verbindungen in ihrer mengenmäßigen
              Zusammensetzung innerhalb einer Gesamtextraktion konstant bleiben.
              Das P/S-Verhältnis zeigt keine Abhängigkeit vom Pigment
              und ist somit ein von der Vorbehandlung unabhängiges Charakteristikum.
              
  
              Ölsäure (Ö) ist die am wenigsten reaktive Säure der ungesättigten Fettsäuren in Ölen.
              Ihr Abbau erfolgt langsam und führt u.a. zur Bildung von Azelainsäure (Az).
              Diese wird in der Farbschicht entweder frei, triglyceridisch oder als Metallseife gebunden.
              Um systematische Fehler zu minimieren, wird nicht der absolute Ölsäuregehalt, sondern sein
              Verhältnis zum Abbauprodukt, der Azelainsäure (Az), gemessen. Die Ermittlung des
              Az/Ö-Verhältnises, das mit zunehmendem Alter der Farbschichten ansteigt, bietet
              somit - pigmentabhängig - eine gute Möglichkeit der Altersbestimmung.
  
              Die Pyrolyse-GC/MS nach dem Herauslösen der löslichen Bestandteile ist eine Art
              "fingerprint"-Methode für das ursprüngliche Ölbindemittel. Eine Zuordnung zu Leinöl
              oder Mohnöl ohne den störenden Einfluß von Retusche und Überarbeitungen ist damit möglich.
              Die parallel ablaufenden Vorgänge der Polymerisation und Oxidation im Verlauf des
              Alterungsprozesses liefern - in Abhängigkeit von der Vorbehandlung und dem
              Pigment - ein Polymer, welches das Gerüst der Farbschicht bildet.
  
              Das Vorliegen und die Unterscheidung von Zusätzen erfolgt nach der Sechsstufigen
              Selektiven Extraktion (SSE). Wachszusätze wie Bienenwachs oder Carnaubawachs können
              anhand ihres charakteristischen Profils und diagnostischer Substanzen unterschieden werden.
              Durch SSE kann die Anwesenheit von Ei in einer Ei-Tempera-Farbe anhand des gefundenen
              Sterangerüstes nachgewiesen werden. Ebenso die Verwendung von Dammar oder Mastix,
              wobei die Aussage der nicht-derivatisierten Extrakte von Bedeutung ist.
  
              Die analytischen Ergebnisse aus der Bindemitteluntersuchung können somit Informationen
              über die eingesetzten Techniken, die verwendeten Materialien und die kulturgeschichtlichen
              Epochen liefern. Kunstobjekte können, begleitend zur kunsthistorischen Beurteilung, mit Hilfe
              dieser Untersuchungen genauer datiert, zugeordnet und sogar von Fälschungen unterschieden werden.
              Außerdem können spätere Zusätze oder Abänderungen nachgewiesen und kunsthistorisch oder epochal
              eingeordnet werden.
  
        
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